„Polen ist Stabilisator Europas“

Der Dülmener Abgeordnete Werner Jostmeier über sein Faible für den Nachbarn Deutschlands

Der Dülmener Landtagsabgeordnete Werner Jostmeier hat Polen sehr gerne. Polen, sagt er, sei längst nicht mehr ein Sorgenkind. Im Gegenteil. Polen boomt. Unser Redaktionsmitglied Viola ter Horst sprach mit dem Politiker aus der Bauerschaft Welte über sein besonderes Interesse für Polen, übers Reisen und über das Polenbild in Deutschland und das Deutschlandbild in Polen. Jostmeier leitet die Parlamentariergruppe NRW-Polen des Landtags.
Woher rührt Ihr Interesse für Polen?
 
Jostmeier: Das fing schon in meiner Studentenzeit an. Ich studierte Jura in Münster und organisierte 1975 eine Fahrt nach Danzig, Loblin, Krakau und Breslau. Wir waren neun Leute. Einige Begegnungen habe ich nie vergessen und es gibt Kontakte, die bis heute halten. 
 
Zum Beispiel?
 
Jostmeier: In Danzig wohnten wir bei einer Familie, für die waren wir der erste Kontakt mit Deutschen nach 1945. Die Frau sagte uns nach ihren Erlebnissen im Zweiten Weltkrieg, dass sie eigentlich nie wieder einem Deutschen die Hand geben wollte. Nun war alles anders gekommen – wir wurden von ihr herzlich empfangen. Oder in Krakau, da hatten wir mit Kardinal Wojtyla zu tun – dem späteren Papst. Das wussten wir natürlich damals nicht. 
 
Wie schätzen Sie die Entwicklung Polens in Europa ein?
 
Jostmeier: Polen hat eine radikale Wirtschaftsreform durchgezogen und gehört eindeutig zu den Stabilisatoren Europas. Selbst auf dem Höhepunkt der Wirtschaftskrise 2009 hat Polen schwarze Zahlen geschrieben. Das einstige Sorgenkind ist im Aufschwung und ein starker Nachbar Deutschlands geworden. 
 
Aber das alte Polenbild herrscht doch immer noch bei Deutschen oft vor.
 
Jostmeier: Vielleicht. Aber ich finde schon, dass sich das Polenbild in Deutschland und das Deutschlandbild in Polen stark verändert hat. Auch im Alltag. Wir haben viel mehr miteinander zu tun. Fragen Sie mal, wie viele polnische Frauen in Pflegeheimen allein im Kreis Coesfeld arbeiten. Und sie werden sehr geschätzt. 
 
Was macht die Parlamentariergruppe Polen - NRW eigentlich?
 
Jostmeier: Es geht um Austausch. Nordrhein-Westfalen ist der größte Handelspartner Polens, hinzukommen die vielen Städtepartnerschaften, Schulpartnerschaften und der Jugendaustausch. Wir wollen dazu beitragen, dass die Zusammenarbeit weiter gesteigert wird. Wir tauschen uns in den Bereichen Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur und Sport aus und können auch Kontakte herstellen. In der nächsten Veranstaltung geht es um das Thema Energie. Polen will zwei weitere Atomkraftwerke bauen – Deutschland will die Energiewende. Darüber muss man sich austauschen. 
 
Kontakte sind wichtig?
 
Jostmeier: Für beide Seiten. Wenn Hilfsorganisationen oder Initiativen etwas auf die Beine stellen wollen oder wenn Firmen in Polen oder umgekehrt in Deutschland investieren möchten, benötigen sie Ansprechpersonen. 
 
Sie waren ja auch Vorsitzender des Ausschusses für Europa und Eine Welt und gehören ihm nun nach wie vor als Mitglied an. Also auch ein besonderes Interesse für Länder über Europa hinaus?
 
Jostmeier: Ja, auf jeden Fall. Vor drei Tagen war ich noch von der neuen Chinesischen Parteiführung von Wuhan in China zur Vertragsunterzeichnung von sechs Joint Ventures mit NRW und deutschen Firmen nach Stuttgart geladen. Bei all den internationalen Aufgaben sehe ich den Wahlkreis Coesfeld aber immer an erster Stelle. Kein Gesprächstermin für ein Bürgeranliegen fällt aus wegen einer ausländischen Verpflichtung. 
 
Von ihrer Heimatbauerschaft Welte in die weite Welt . Rumänien und Schlesien – machen Sie dort eigentlich auch Urlaub?
 
Jostmeier: Ich hänge ganz gerne mal ein paar Tage privat hintendran. Es gibt dort
 
schöne Ecken. Siebenbürgen in Rumänien ist wunder- wunderschön. Da mache
 
ich gerne etwas Ferien. Auch die Ukraine hat was. 
 
Apropos Ukraine: Haben Sie noch Kontakt zu der Tochter der inhaftierten Ex-Regierungschefin Timoschenko?
 
Jostmeier: Ja, der besteht noch. Im Mai werde ich wohl wieder dort sein. Es ist sehr schwierig, was den Fall Timoschenko angeht. 
 
Gibt es für Sie eigentlich auch noch richtig Entspannung – den klassischen Urlaub?
 
Jostmeier (lacht): Ich bin ganz froh, wenn ich mal zu Hause bin. Ansonsten: Letztes Jahr waren wir in Amerika. Am Strand. 
 
Quelle: Allgemeine Zeitung Coesfeld