Lust auf Europa - Gegenwart und Zukunft der Regionen in der EU

Diskussion im Hauptausschuss

Es war im Landtag der Tag des Internationalen Dialoges, der 12. Juni 2008. Nicht nur dass eine hochrangige Delegation aus Vietnam den Landtag besuchte und eine ebenfalls prominent besetzte Delegation aus der Ukraine eine Ausstellung über "die Hungeropfer - der unbekannte Völkermord an den Ukrainern" eröffnete:
Der Hauptausschuss debattierte unter der Leitung von Werner Jostmeier (CDU) über das Thema "Mitten in Europa - Zur Bedeutung der Regionen nach Lissabon". Als Experten waren geladen Elmar Brok, Vertreter des Europäischen Parlaments bei der Regierungskonferenz zur Reform der Europäischen Union, und Anton Kokalj, Vorsitzender des Europaausschusses des Parlaments der Republik Sloweniens. Dieses Land an der EU-Aussengrenze, zwischen Österreich, Italien und Kroatien gelegen, hat von Januar bis Juni 2008 die Ratspräsidentschaft der Europäischen Union inne. Es ist das erste Mal, dass einer der neuen Mitgliedstaaten, ein post-sozialistischer, ein slawischer Staat die Präsidentschaft übernommen hat.
 
Dementsprechend bildete der Dialog mit den Balkanstaaten, die Stabilität insbesondere der westlichen Balkanländer, einen Schwerpunkt der europäischen Politik der letzten Monate. Nicht ohne Stolz konnte Anton Kokalj darauf verweisen, dass die vor allem von Serbien nicht akzeptierte Unabhängigkeitserklärung des Kosovo trotz aller Warnung relativ ruhig und friedlich über die Bühne gegangen ist. Hier wie auch in anderen Fragen hat die slowenische Präsidentschaft viel stille "Hintergrunddiplomatie" geleistet. Ein Grund mehr, dass der 'interkulturelle Dialog' zu einem weiteren Eckstein des letzten Halbjahres wurde. Natürlich mussten auch die anderen Politikbereiche vorangetrieben werden: allen voran die Ratifizierung des Vertrags zur Reform der Europäischen Union (der sogenannte 'Lissabonvertrag', der die wirtschaftliche um eine politische und soziale Dimension ergänzen soll). Dann die Forcierung der sogenannten "Lissabonziele", die vor allem über die Stärkung der 'Wissensgesellschaft', des grenzüberschreitenden Handels sowie des umweltschonenden Wirtschaftens und einer nachhaltigen Energieversorgung die Union zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschaftsraum der Welt machen soll. Damit einher geht auch die Weiterentwicklung der internationalen Rolle der EU. Als ein wesentliches Ergebnis der slowenischen Ratspräsidentschaft hob Kokalj die bereits jetzt erörterte Umsetzung des Reformvertrags hinsichtlich des Ausbaus der Rolle der nationalen Parlamente wie auch - davon abgeleitet - der regionalen Parlamente mit gesetzgeberischen Befugnissen hervor.
In die gleiche Kerbe schlug auch Elmar Brok, der als Europaabgeordneter maßgeblich an den Anläufen zu einer politischen Union mitgewirkt hat. Klimawandel, grenzüberschreitende Kriminalität, Terrorismus, Globalisierung oder Migration - alle diese Themen erforderten eine handlungsfähige Union, so sein Credo. Dies müsse aber begleitet werden durch eine Stärkung der demokratischen Strukturen der Union: sprich einer Stärkung des europäischen Parlaments (das laut dem vorliegenden Reformvertrag zu einem gleichberechtigten Gesetzgeber werden soll), aber auch - gemäß dem sogenannten Subsidiaritätsprinzip -  der nationalen Parlamente. Dieses bedeute aber auch eine Stärkung der regionalen Parlamente, die bei Annahme des Reformvertrags entweder über den Europäischen Ausschuss der Regionen wie über ihr nationales Parlament Einfluss ausüben können. Immerhin seien die Regionen über den "Lissabonvertrag" zum ersten Mal rechtlich abgesichert, auch wenn man keine einheitliche, zentralisierte Definition ihrer Rolle und Befugnisse anstrebe. "Mäßigung mag sich lohnen", war nicht nur in diesem Bereich der Ratschlag des erfahrenen Europapolitikers. In dem sich formierenden neuen Europa regte er eine verstärkte grenzüberschreitende Zusammenarbeit an; es könne sinnvoll sein, dies über eine sogenannte "Grenzklausel" abzusichern, die gerade die Grenzregionen vor zuviel nationaler oder gar europäischer Regelungswut schützen soll. In diesem Sinne könne die neue europäische Kompetenzverteilung eventuell auch im positiven Sinne "erzieherisch" wirken, meinte Brok nicht ohne Seitenblick auf den bundesdeutschen Föderalismus.
 
"Europa als Union im Interesse der Bürger" und "Europa beginnt hier bei uns"  war denn auch das Fazit, das man mit Blick auf die anschließende Diskussion im Hauptausschuss mit den beiden Gästen ziehen konnte. Ein gelungener Auftakt.